Desiderate der Weiße Rose-Forschung

Das QWR-Projekt versteht sich als Beitrag zur zeitgeschichtlichen Grundlagenforschung und identifiziert auch Widersprüche, Fehleinschätzungen und offene Fragen im aktuellen Forschungsstand.¹

So fehlt noch immer eine Willi Graf-Biographie, die wissenschaftlichen Standards genügt. Eine jüngst neu aufgelegte, forschungsgeschichtlich bedeutsame »politische Doppelbiographie« von Alexander Schmorell und Christoph Probst verwendet längst nicht mehr gültige Signaturen, ignoriert weitgehend die neuere Forschung und reproduziert auch eklatante Irrtümer. Noch nicht hinreichend erforscht sind die Gestapo-Protokolle. Das gilt auch für den Prozess gegen Manfred Eickemeyer, Wilhelm Geyer, Harald Dohrn und Josef Söhngen. Hans Hirzel als aktivster Mitstreiter in Ulm wurde bislang nicht ausreichend gewürdigt. Die bisherigen Publikationen zu Helmut Bauer, Heinz Bollinger, Eugen Grimminger, Heiner Guter, Falk Harnack, Susanne Hirzel, Traute Lafrenz, Franz Müller und Käthe Schüddekopf entsprechen nicht mehr der inzwischen erschlossenen Quellenlage bzw. fallen durch einen Mangel an kritischer Distanz zu ihrem Gegenstand auf. Auch sollte die Bedeutung mehr oder weniger randständiger Personen – Otl Aicher, Rudi Alt, Willi Bollinger, Lilo Fürst-Ramdohr, Tilly Hahn, Josef Müller, Max Müller, Anton Rechtsteiner, Albert Riester, Inge Scholl und Marie Luise Upplegger – genauer untersucht werden. Die Profile der staatlichen Verfolger, insbesondere aus dem Bereich der NS-Justiz, werden schärfer als bisher sichtbar. Und auch wenn fast alle Primärquellen zu Hans und Sophie Scholl bereits publiziert sind, so ermöglichen die hier vorgenommene sorgfältige Edition, ihre kalendarische Zuordnung und die Quellenkritik doch neue Erkenntnisse sowohl zur präzisen Datierung als auch zum jeweiligen Kontext und zur Aussagekraft der Quelle. 

Forschung zu diesen Desideraten unterstütze ich gerne, auch mit aktuell hier noch nicht edierten Quellen (sofern diese nicht einer Schutzfrist unterliegen).

¹ Das gilt insbesondere für den deutschsprachigen Raum, in dem die Forschung am Center for White Rose Studies in New Oxford, Pennsylvania, bislang kaum rezipiert wurde.